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28.06.2019 16:11 Alter: 5 yrs

Informationen zur Schularchitektur


Der Gebäudekomplex Gymnasium Schillerstraße, Pädagogische Hochschule und Praxisschule der Pädagogischen Hochschule wurde Ende der 1960er Jahre vom Baukünstler Guntram Mätzler errichtet. Der Baustil nennt sich „Brutalismus“.

 

Guntram Mätzler (1930-2013)

  • Architekt und Baukünstler
  • Erste Generation der Neuen Vorarlberger Bauschule
  • Er lebte in Bregenz und arbeitete auch dort.
  • Bauwerke u. a.:
  • Schulzentrum in Feldkirch – Gebäudekomplex Gymnasium Schillerstraße, Pädagogische Hochschule und Praxisschule (1966-1970)
  • Hauptschule Egg (1970)
  • Neue Pfarrkirche Feldkirch Tosters (1970-1972)

 

Igor Mätzler

  • Architekt
  • Sohn von Guntram Mätzler
  • Eigenes Architekturbüro in Bregenz
  • Bauwerke u. a.:
  • Sanierung Schulzentrum in Feldkirch, Fenster und Dach neu (1999-2010)
  • Zubau/Aufstockung Schulzentrum in Feldkirch (2008-2010)
  • Aufstockung BORG Lauterach (2015-2017)


Factbox „Brutalismus“

 

Definition:

  • Architekturstil ab 1950er Jahre
  • „Béton brut“, roher Beton als bevorzugtes Material

 

Merkmale:

  • Robust und präsent
  • „Ehrlichkeit“ in Bezug auf Material und Konstruktion
  • „Betonschiffe“ mit Symbolkraft: Architektur der modernen, industrialisierten Gesellschaft

 

Berühmte Bauten:

  • Le Corbusier, Kloster Sainte-Marie de La Tourette, Éveux bei Lyon, 1956 bis 1960
  • Kallman, McKinnell & Wood and Cambell, Aldrich & Nulty, Boston City Hall, Boston, 1963 bis 1968
  • Safdie, Habitat 67, Montreal, 1966 bis 1967

 

Infos zur Schule

  • 31 Klassenräume
  • 2 Bildnerische Erziehungssäle
  • 2 Biologiesäle
  • 2 Physiksäle
  • 2 Informatiksäle
  • 2 Musiksäle
  • 1 Chemiesaal
  • 6 Kustodiate
  • 7 Arbeitszimmer für Lehrer inkl. Konferenzzimmer
  • 7 Arbeitszimmer für Verwaltung
  • 4 Instrumentalmusikräume
  • 1 Kantine
  • 1 Turnhalle
  • 1 Schwimmbad
  • und notwendige Nebenräumlichkeiten (Garderobe, Archiv, Putzkammern …)
  • großer Innenhof
  • 8.025,97 m²

 

Interview mit DI Igor Mätzler, 08.05.2019

Wie sind Sie zur Architektur gekommen?
Mein Vater war schon Architekt und ich habe schon früh seine Arbeit miterlebt. Es hat mich immer sehr interessiert und ich habe auch nie bereut, dass ich dieses Studium gewählt habe.

Meine grundsätzliche Einstellung zur Architektur würde ich als eher pragmatisch bezeichnen.

Ein Gebäude sollte in erster Linie der Funktion verpflichtet sein, d. h. seinen Zweck zur Zufriedenheit von Bauherr und Nutzer bestmöglich erfüllen. Wenn sich aus dem Lösungsansatz auch noch eine ansprechende Architektur ergibt, umso besser. Architektur als Selbstzweck oder kühne architektonische Experimente liegen mir nicht sehr nahe. Mir wäre dabei die Gefahr zu groß, dass das Ergebnis am eigentlichen Ziel vorbei geht. Wenn sie für die öffentliche Hand planen, sind sie außerdem der Wirtschaftlichkeit verpflichtet. Ich sehe den wirtschaftlichen Aspekt als Herausforderung, nicht als Hindernis, und nehme ihn wirklich ernst.

Wie sehen Sie den Brutalismus als Baustil?

Der Begriff kommt eigentlich aus dem Französischen: Mit béton brut ist roher, unbehandelter Beton gemeint. Die deutsche Übersetzung ist leider etwas irreführend. Der Baustil hat natürlich dem Zeitgeist von damals entsprochen. Nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs wollte man auch in der Architektur einen Neuanfang wagen. Es hat eine Art Aufbruchsstimmung gegeben und diese Architektur ist Ausdruck davon. Wir brauchen eine neue Ehrlichkeit, das war die vorherrschende Meinung.

Hätten Sie das Schulzentrum in diesem Stil gebaut?

Das ist eine sehr theoretische Frage, die eigentlich kaum zu beantworten ist.

Ich habe in den 1980er Jahren studiert, der Zeitgeist war ein vollkommen anderer. Ich habe diese Schularchitektur durchaus kritisch gesehen und meinen Vater damals schon gefragt, was ihm denn da eingefallen wäre. Heute aber weiß ich die Qualität des Gebäudes durchaus zu schätzen. Ich finde, dass das Gebäude in seiner Klarheit und strengen Konstruktion sehr gut gelöst ist. Anfang der 1990er Jahre hat man das Gebäude noch das „Tschernobyl“ von Feldkirch genannt, es hat einfach dem Zeitgeist von damals widersprochen. Ich habe inzwischen aber den Eindruck, dass das architektonische Konzept immer mehr verstanden wird.

Sie haben das Schulzentrum um die Jahrtausendwende erneuert. Was wurde dabei gemacht?

Es handelte sich um eine sogenannte „Funktionssanierung“, bei der vor allem die bautechnischen Belange des in die Jahre gekommenen Gebäudes wieder auf den Stand der Technik gebracht wurden. Saniert bzw. erneuert wurden Fenster, Dächer, Außentüren, Oberflächen von Innenräumen, Turnhallen, Heizanlage, Elektrotechnik, Beleuchtung, EDV und vieles mehr. Ein wesentlicher Aspekt war auch die Verbesserung der Wärmedämmung bei allen Außenbauteilen. Das Gebäude musste selbstverständlich den damals geltenden gesetzlichen Bestimmungen zum Wärmeschutz entsprechen. Ein besonderes Thema war auch die Außenhaut des Gebäudes. Die Betonoberfläche war durch Umwelteinflüsse beschädigt und musste saniert werden. Normalerweise werden dabei die einzelnen Schadstellen repariert und die gesamte Außenhaut wird anschließend mit einem Anstrich versehen. Das hat aber den Nachteil, dass die besondere, spezielle Oberfläche des „béton brut“ verlorengeht. Es wurden damals auch Lösungsansätze diskutiert, die eine neue Außenhaut aus Glas und Metall vorsahen, welche quasi über die alte Außenhaut gestülpt worden wäre. Letztlich wurde aber ein sehr aufwändiges Verfahren angewandt, welches von Experten, unter anderem auch vom Bundesdenkmalamt, empfohlen wurde. Jede Schadstelle, von denen es übrigens ca. 12.000 Stück gab, wurde einzeln ausgebessert und anschließend in Handarbeit an die umgebende Betonoberfläche in Struktur und Farbton angepasst. Die gesamte Fassadenfläche wurde also restauriert und nicht saniert.

Ab 2008 sind Sie auch mit der Erweiterung des Schulzentrums betraut worden. Welche Bauweise bzw. welche Materialen haben Sie für die Aufstockung gewählt?

Aus statischen Gründen musste für die Aufstockung eine Leichtbauweise gewählt werden. Ich habe mich für eine Holzkonstruktion entschieden, weil es ein gutes Material für diesen Zweck ist. Bei einer Aufstockung muss es sehr schnell gehen, weil der bestehende Dachaufbau abgetragen werden muss und das Haus in dem Moment schutzlos dem Wetter ausgeliefert ist. Der Rohbau der Aufstockung bestand aus großen, vorgefertigten Holzelementen, welche auf der Baustelle rasch aufgerichtet wurden und so innerhalb kürzester Zeit das Bestandsgebäude wieder schützen konnten. Holz wurde aber nur konstruktiv eingesetzt, man sieht es an keiner Stelle im Gebäude. Bei den anderen verwendeten Materialien spielte das Gewicht ebenfalls eine Rolle. Bodenbeläge aus Stein zum Beispiel, wie sie im Bestand vorkommen, waren leider nicht möglich. Die Fassade ist ebenfalls ein Leichtgewicht und besteht aus einer hinterlüfteten Fassadenplatte, die sich optisch dem Bestand dezent anpasst. Mir war wichtig, dass die Aufstockung nicht plakativ auf Gebäude sitzt, sondern sich behutsam dem Ganzen unterordnet. Wenn manchen erst beim zweiten Blick auffällt, dass das Gebäude aufgestockt wurde, ist das ganz in meinem Sinn.

Was sind ihre Lieblingsmaterialien als Architekt?

Die Wahl der Baumaterialien ergibt sich in den meisten Fällen aus den Anforderungen, die an sie gestellt werden. Jedes Material hat seine Vor- und auch Nachteile. Für sichtbare Oberflächen bevorzuge ich Materialien, die in einer gewissen Weise authentisch sind, d. h. sie sind wie sie sind und verstecken sich nicht hinter einer Beschichtung. Dazu zählen z. B. Edelstahl, Aluminium, Glas, Stein, Holz und andere mehr. Es mag seltsam klingen, aber Sichtbeton gehört nicht zu meinen Favoriten. So wie er heute hergestellt wird, ist er nicht mit dem „béton brut“ zu vergleichen. Damals wurden die Betonschalungen sehr aufwändig aus einzelnen, schmalen Brettern zusammengebaut, welche sich dann in der Betonoberfläche präzise und bis ins kleinste Detail abzeichneten. Heutzutage wäre diese Herstellung viel zu teuer. Statt dessen werden Sichtbetonflächen mit großformatigen Schalungselementen hergestellt, die Betonoberfläche ist danach glatt und ziemlich unspektakulär. Es gibt zwar Schalungsformen aus Silikon, die die Bretterschalung von damals imitieren. Das Ergebnis ist dennoch nicht dasselbe, was fehlt ist die Authentizität. Wenn Sie ein Bild von Picasso in den Kopierer legen, ist das Ergebnis zwar ein Bild, aber kein Picasso.

Umfrage zur Schularchitektur

Im Schuljahr 2018/19 hat sich das Wahlpflichtfach Kulturvermittlung intensiv mit dem Thema Architektur beschäftigt. Im Besonderen ist der Architekturstil des Gymnasiums Schillerstraße (Brutalismus) behandelt worden. Um auch die Innenarchitektur und die Meinung der SchülerInnen sowie LehrerInnen des GYS in den Unterricht miteinzubinden, haben wir uns dazu entschieden, eine Umfrage zu gestalten. In dieser konnten die BesucherInnen des GYS abstimmen, welche Orte im Schulgebäude ihnen am meisten bzw. wenigsten gefallen. Im Folgenden werden die Resultate der Umfrage mithilfe eines „Top-Fünf-Rankings“ dargestellt.

 

Die beliebtesten Orte

Die unbeliebtesten Orte

1.      Chillout-Area

1.   Spinde

2.      Klassenzimmer

2.   Klassenzimmer

3.      Bibliothek

3.  „Aula“

4.      Innenhof

4.  Toiletten

5.      Schulgänge (3.Stock)

5.  Lehrerzimmer

 

Medina Samardzic, Sajra Ljubijankic

 

Für die Texte verantwortlich:

Wahlpflichtfach Kulturvermittlung Gymnasium Schillerstraße, Feldkirch

Chantalle Keckeis, Sajra Ljubijankic, Jordan Nilson, Veronika Watzke, Leonora Lichtinger, Kim Mußbacher, Medina Samardzic, Christina Wiedenmann, Sabine Benzer.

Feldkirch, Juni 2019