Märchenfiguren bzw. -schreiber
Briefe der 1C
Die SchülerInnen der Klasse 1c haben sich im Zuge der Besprechung von Märchen außerordentlich einfallsreich in die Situation von Märchenfiguren hineinversetzt und aus deren Sicht Briefe verfasst. So beklagt sich beispielsweise der Stadtbäcker über den Vorwurf der Mittäterschaft am Vergehen der sieben Geißlein bei ihrer Mutter, das Rotkäppchen drückt dem Jäger seinen Dank aus und der „böse“ Wolf plädiert bei den Gebrüdern Grimm für sympathischere Rollen.
An die Geißmutter!
Stadthausen, im Januar
Als angesehener Stadtbäcker kann ich Euren Vorhaltungen nur in der gebotenen Form entgegnen.
Zuallererst sehe ich mich genötigt, Euch darauf hinzuweisen, dass Ihr besser auf Eure Kinder Acht geben solltet. Zunächst vernachlässigt Ihr Euren Nachwuchs und sodann wollt Ihr jegliche Schuld auf mich schieben. Sogar in direkte Beschimpfungen meiner hochwohlgeborenen Person versteigt Ihr Euch, um Eure eigenen Fehler auszublenden. Solltet Ihr nicht geruhen, Eurem Geschreibe eine dezidierte Entschuldigung folgen zu lassen, werde ich das Hohe Städtische Gericht bemühen müssen. Nebenbei sei erwähnt, dass es sich dort selbst beim Höchsten Gerichtsrat um einen meiner Onkel handelt. Ohne Zweifel sind die Tatbestände der groben Ehrenbeleidigung, üblen Nachrede und gefährlichen Drohung als verwirklicht anzusehen. Da ich mich in der glücklichen Lage sehe, über einen namhaften Kundenstock zu verfügen, wird mich der Wegfall des bisschen Altbrotverkaufes an Euch in keine Notlage bringen. Viel mehr seid Ihr mir mit Eurer albernen Geschwätzigkeit schon ordentlich auf die Nerven gefallen.
Somit verbleibe ich doch noch in der Hoffnung, den unerfreulichen Rechtsweg nicht beschreiten zu müssen.
Grußlos
k.u.k. Hofbäcker Brotlaib
Lieber Jäger!
Meine Großmutter und ich möchten uns bei Ihnen bedanken, dass Sie uns aus dem Leib des Wolfes befreit haben. Wir wären vielleicht nicht mehr am Leben, wenn Sie uns nicht geholfen hätten und das wissen wir zu schätzen.
Seit diesem Vorfall hat sich einiges getan. Mittlerweile hat sich Großmutter von dem Schock erholt und wir haben eine neue Tür mit Spion einbauen lassen und eine Alarmanlage installiert, damit meine Oma in Zukunft sieht, wer vor der Tür steht. Zudem haben wir eine angemessene Summe auf das Konto des Vereins „Licht in den dunklen Wald“ überwiesen. Wir sind nun in einem Selbstverteidigungskurs, den wir jede Woche drei Mal besuchen.
Seit diesem Vorfall weiß ich, was meine Mutter immer meint, wenn sie sagt, ich soll mit keinem Fremden mitgehen oder sprechen. Ich weiß jetzt, was das für Folgen haben kann. Deswegen habe ich mir noch ein neues Handy gekauft, damit ich im Ernstfall meine Mutter oder meine Oma alarmieren kann. Übrigens hat sich meine Oma noch zwei Wachhunde zugelegt, falls die Alarmanlage nicht funktionieren sollte.
Als Dank möchten wir Sie auf selbst gemachten Kuchen und Kaffee einladen. Ich hoffe, Sie nehmen unser Angebot an und kommen nächste Woche bei uns vorbei. Wir würden uns sehr freuen!
Mit bestem Dank
Rotkäppchen
Sehr geehrte Märchenschreiber,
lange habe ich es erduldet, aber nun will ich, der Wolf, mich an höchster Stelle beschweren, weil ich in den Märchen immer der Böse bin.
Verschiedenste Beispiele tragen zu meinem negativen Ruf bei: In „Rotkäppchen“ vertilge ich die Großmutter sowie das kleine Mädchen, in „Der Wolf und die drei kleinen Schweinchen“ puste ich ein Haus um und in „Der Wolf und die sieben Geißlein“ fresse ich einer Mutter sechs ihrer sieben Kinderlein auf. Diese schlitzt mir dann den Bauch auf und füllt ihn mit Steinen, was nicht sehr bekömmlich ist.
Das alles ist mir sehr unangenehm, da ich nun mit dem Vorwurf zu kämpfen habe, dass ich ein sehr übler Geselle bin.
Ich würde es außerordentlich begrüßen, wenn ich in den Märchen beispielsweise die kranke Großmutter pflegen, die drei kleinen Schweinchen beim Hausbau unterstützen und mit den sieben Geißlein im Wald herumtollen könnte. Das wäre schon eine große Freude und würde mich wohl beliebter machen.
Denkt also bitte das nächste Mal daran, was ich Euch gesagt habe, sonst geht es Euch ordentlich an den Kragen!
Mit freundlichen Grüßen
Der gute Wolf