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04.12.2019 21:44 Alter: 4 yrs

Aus dem Leben einer Kulturmanagerin


Interview mit Mag.a Brigitta Soraperra, 27.11.2019 ...

Das Wahlpflichtfach Kulturmanagement stellt in unregelmäßigen Abständen KulturmanagerInnen aus der Region vor:

Brigitta Soraperra, Theaterregisseurin, Kulturarbeiterin, Netzwerkerin, Möglichmacherin, Initiatorin und Kuratorin der Wexelstube (www.wexelstube.at)

Wie würden Sie Kultur definieren?
Kunst und Kultur sind für mich die Seele und das Herzstück der Gesellschaft. Sie können so vieles: Visionen entwerfen, Kritik üben, Supervision leisten. Sie reagieren auf die gesellschaftlichen Bedingungen und Missstände. Sie sind wichtig für die „Gesundheit“ einer Gesellschaft. Gerade weil sie so bedeutend sind, wäre es längst an der Zeit, dass Österreich wieder ein Kulturministerium bekommt.

Was sehen Sie als Aufgaben einer Kulturmanagerin?
Ich bin nicht im klassischen Sinne Kulturmanagerin, sondern komme aus dem Theaterbereich und arbeite dort vor allem in der freien Szene als Regisseurin und Dramaturgin. Das beinhaltet und erfordert aber auch viele dieser Managementtätigkeiten: Konzepte schreiben, die Finanzierung aufstellen, Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Mittels einiger Fortbildungen habe ich mich dann in diesen Bereichen professionalisiert, habe beispielsweise Seminare am Institut für Kulturkonzepte in Wien besucht, vom Projektmanagement über die Pressearbeit bis zum Fundraising. Auch hier für die Wexelstube mache ich die Öffentlichkeitsarbeit und unterstütze die ProjektbetreiberInnen bei der Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten.

Hat Sie dieser Beruf immer schon interessiert?
Ehrlich gesagt mag ich einiges an diesem Beruf eigentlich gar nicht. Gelder für Kulturprojekte aufstellen etwa ist einfach eine mühsame, zeit- und energieaufwendige Sache. Und die freie Kulturarbeit selbst wird oft nicht entsprechend geschätzt und bezahlt. Es gibt sehr viele „Working Poor“ im Kulturbereich – gerade in Vorarlberg –, die trotz sehr engagierter Arbeit ihr Leben kaum finanzieren können. Auch ich habe noch einen weiteren Job in einer Sauna in Zürich, der mir meine Kulturarbeit ermöglicht.
Es gibt aber nichtsdestotrotz sehr vieles, was mir großen Spaß macht: Kunst und Kultur ermöglichen, ein Teil der Kulturszene sein, mit sehr spannenden Leuten an coolen Projekten zusammenarbeiten, selber ein Freigeist sein, sich Ideen und Visionen erlauben und sie gemeinsam mit anderen umsetzen.

Welche Faktoren machen Kulturmanagement aufwändig?
Also in erster Linie sicher die Bemühung um die Finanzierung. Und ich kann zwar sehr gut Konzepte schreiben, aber auch das ist eine aufwändige Arbeit, weil man ja zu einem sehr frühen Zeitpunkt schon etwas überzeugend formulieren muss, von dem man noch gar nicht weiß, ob es sich so realisieren lässt.

Was haben Sie für eine Ausbildung?
Ich wollte schon als Jugendliche Regisseurin werden, habe mir aber nicht zugetraut, die Aufnahmeprüfung für Regie bei einer dieser Ausbildungsstätten, die bei hunderten von BewerberInnen nur ganz wenige aufnehmen, zu schaffen. Also habe ich in Wien Theaterwissenschaften und eine Fächerkombination aus Germanistik, Psychologie und Philosophie studiert. Für die Praxis habe ich dann schon während des Studiums als Hospitantin und Regieassistentin zu arbeiten begonnen, Projektleitungen übernommen und zusätzlich dazu Texte geschrieben.

Warum haben Sie diesen Beruf gewählt?
Ins Kulturmanagement bin ich eher reingerutscht, das hat sich wie gesagt aus der Weiterentwicklung meiner Theaterarbeit ergeben. Und die Räumlichkeiten hier am Mühletorplatz habe ich zufällig entdeckt, als sie länger leer gestanden sind. Ich habe viel Potential in ihnen gesehen und mich schlicht in sie verliebt. An der Kulturarbeit mag ich vor allem die Begegnung mit Menschen, die Inspiration, das Vernetzen, die Möglichkeit, gemeinsam tolle Ideen zu entwickeln und sie in die Welt zu bringen. Die Wexelstube ist nicht nur mein eigener kreativer Freiraum, sondern sie soll auch anderen „Raum für Begeisterung“ geben. Denjenigen, die hier was ausprobieren, und denjenigen, mit denen das geteilt wird. Wir wollen begeistern.

Wie viel Zeit investieren Sie in Ihre Arbeit?
Es gibt in der freien Kulturarbeit keine fixen Arbeitszeiten, und ich gebe zu, dass ich eine Vielarbeiterin bin. Ich versuche aber, einen Tag in der Woche freizuhalten. Zwei bis drei Mal in der Woche arbeite ich im Winter zusätzlich als Saunameisterin in Zürich, was mir aber nach wie vor Freude macht.

Was ist die Wexelstube?Wofür steht sie?
Das „x“ steht für Wechsel, für das Ausprobieren von unterschiedlichen Ideen, von Ausstellungen bis zu Buchpräsentationen. Wir entscheiden, was hier passt.
Diese Räumlichkeiten wurden ursprünglich als Buchdruckerei genützt, später war die Lebenshilfe Mieterin, dann stand es leer. Heute ist es ein Co-Working-Space, der derzeit von einem Graphiker, einer Kulturarbeiterin und einer Achtsamkeitstrainerin genützt wird. Der Raum in hinteren Teil kann für Klausuren, Besprechungen usw. stundenweise genutzt werden, u. a. hält auch die Poolbar hier Treffen ab.

Wie finanziert sich die Wexelstube?
Sie ist ein Liebhaberinnenprojekt und trägt sich leider nicht vollständig. Es gibt Einnahmen durch den Co-Working-Space, ansonsten herrscht das „Prinzip der freien Gabe“, weil die NutzerInnen unterschiedlich große Brieftaschen haben.
Alexandra Abbrederis Simpson, eine Freundin von mir, hat ein Buch mit dem Titel „Das Miss Bizzy Prinzip“ verfasst und darin das „Prinzip des leistbaren Verlustes“ beschrieben. Es bedeutet, eine bestimmte Zeit, eine bestimmte Summe an Geld und Energie in ein tolles Projekt zu investieren, und wenn dann nichts langfristiges daraus wird, beendet man es halt wieder, ohne viel verloren zu haben. So sind wir auch in das Projekt „Wexelstube“ vor mittlerweile vier Jahren gestartet, und wir haben immer noch Freude damit.

Welche Art der Bespielung ist in der Wexelstube die häufigste?
Wir können auf eine ziemlich Vielfalt an Veranstaltungen und Projekten verweisen. Es gibt Lesungen, Workshops, eine Partei hat sich im Herbst befristet eingemietet, Vorträge werden gehalten u. a. Wir haben aber gemerkt, dass der Raum vor allem aber für Ausstellungen sehr geeignet ist. Ein Format, das ich auch sehr liebe, ist der „Themenwexel“: Interessante, aktuelle, wichtige Themen werden aufgeworfen und gemeinsam mit Gästen diskutiert.

Sie haben davon gesprochen, dass es in der Wexelstube möglich ist, Ideen einzubringen. Welche spannenden Ideen oder Projekte sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Heide C. Heimböck, eine bildende Künstlerin, hat sich in ihrer Ausstellung in der Wexelstube mit dem Thema Grenze beschäftigt und am Boden Stacheldraht ausgelegt. Das fand ich ein sehr mutiges Statement. Und die Autorin Gabriele Bösch ist durch die Möglichkeit, hier erstmals ihre im Geheimen entstanden Tuschezeichnungen auszustellen, zu einer ernstzunehmenden Malerin geworden. Es gibt natürlich auch Projekte, Vorschläge, die ich als Kuratorin nicht ins Programm aufnehmen möchte, weil sie nicht zu uns passen. Ich versuche dann aber immer auch Alternativen vorzuschlagen. Denn es geht in der Kulturarbeit ja darum, die engagierten Menschen zu ermutigen und zu unterstützen.

Wahlpflichtfach Kulturmanagement:

Elina Breuß, Julia Koch, Leonora Lichtinger, Sajra, Ljubijankic, Greta Mödlagl, Precious Peter, Carmen Redl, Medina Samardzic, Christina Wiedemann

Fotos: Dietmar Mathis