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26.04.2009 21:14 Alter: 15 yrs

Klassenzimmertheater

Karl Kraus: „Die letzten Tage der Menschheit“


Bereits im letzten Jahr präsentierte uns der Schauspieler Robert Kahr seine Interpretation von Heinrich von Kleists Novelle „Michael Kohlhaas“ und erntete dafür große Begeisterung des Publikums.
Dieses Jahr kam er an unsere Schule, um uns mit der Tragödie „Die letzten Tage der Menschheit“ von Karl Kraus in die Morgendämmerung des 20. Jahrhunderts zu entführen. Herr Kahr präsentierte selbst ausgewählte Szenen aus diesem weit über 200 Szenen fassenden Stück, die uns die Ideen und das Umfeld des Ersten Weltkrieges, sowohl in der Heimat als auch an der Front nahebringen sollten. Durch die lebendige Inszenierung, in der der Schauspieler alle Rollen spielt und jede Person in einer Person war, gewann der Erste Weltkrieg an Aktualität und Leben. Der Darsteller hatte für jeden Charakter eine andere Aussprache und Körperhaltung und somit war zu jeder Zeit klar, wer ein Major, Journalist oder Zivilist ist, gleichzeitig wurde damit die Brutalität des Krieges und die Sinnlosigkeit mitten in die heutige „Friedenszeit“, in der man Krieg nur aus den Nachrichten und Geschichten kennt, transportiert, und zugleich wurde die Frage aufgeworfen, inwiefern Journalismus objektiv sein muss bzw. sein kann und worin die Gefahr der Zensur und Selbstzensur liegt.
Als Herr Kahr schließlich nach gut eineinhalb Stunden, unter donnerndem Applaus, die Bühne verließ, ließ er uns mit einem Gefühl zurück, dass nur wache Menschen die Schrecken des Krieges verhindern können und nur gezieltes kritisches Denken uns vor einer neuen Apokalypse bewahrt.
Gleichzeitig hatte man das Gefühl, aufzuwachen aus einer Vision, in der das k. u. k. Reich wieder zum Leben erwacht war und die Schwaden des Pulverrauchs über Schützengräben zogen, in denen sich die Menschheit selbst zerfleischte.

Armin Sauerwein, 8c