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02.06.2013 23:55 Alter: 11 yrs
Kategorie: Pädagogik, Veranstaltung

prof@school – Mathematik einmal anders


„Mathematik – warum?" .... Nicht wenige Schüler werden sich diese Frage schon einmal gestellt haben. Vielleicht kurz vor einer Schularbeit, aber sicherlich immer angesichts zu bewältigender Hausaufgaben. „Mathematik – warum?" ... Dabei gibt es gute Beispiele, dass es auch ohne Mathematik geht. Z.B. Volksstämme im Inneren von Südamerika. Die Angehörigen einiger dort lebender Naturvölker können bis heute nicht einmal bis drei zählen: Eins – Zwei - .... Und dann hört es auch schon auf. Dennoch funktioniert das Zusammenleben in diesen Gemeinschaften und das Überleben im Regenwald. Keine Prognosen auf die bevorstehenden Wetterkapriolen anhand rechenintensiver Klimamodelle, kein Vergleich, wer in der Gemeinschaft mehr oder weniger sein Eigen nennen darf. Eins – Zwei - ... ???.

Auf der anderen Seite die ägyptischen Hochkulturen, in denen die priesterliche Berufsgruppe der Harpedonapten jedes Jahr nach der Nilüberflutung die Anbaufelder für die Bewirtschaftung neu abgrenzen mussten. Robuste Hilfsmittel für das Abstecken einfacher geometrischer, Strukturen, möglichst im rechten Winkel, waren vonnöten. Pythagoras war erst später; Sinus und Cosinus noch nicht bekannt. Ein Faden mit 12 Knoten, alle im gleichen Abstand angeordnet, war die Lösung und half, die Landzuweisungen wieder herzustellen. 3² + 4² = 5² . Für größere Flächen konnten passende, pythagoreische, Tripel aus Tabellen entnommen werden. Diese kannten bereits die Babylonier und waren geritzt in Tontafeln (siehe z.B. „Plimpton 322").

Kaum zu glauben, dass sich erst im Mittelalter die arabischen Zahlen als das Zahlensystem im europäischem Raum etablierte. Die Zahl Null, das Rechnen mit negativen Zahlen und das „Unendliche" waren aber auch zu diesem Zeitpunkt noch umstritten. Heute ist die Mathematik sowohl als Strukturwissenschaft als auch als Angewandte Wissenschaft nicht mehr wegzudenken. Kein Handy, bei dem die per Funk übertragenen Signale nicht anhand mathematischer Algorithmen komprimiert und codiert werden. Kein Produkt, dessen Aufbau nicht zuvor am Computer konstruiert, simuliert und optimiert wird.

Herr Prof. Dr. Michael Junk vom Fachbereich Mathematik und Statistik der Universität Konstanz wusste diese Themen im ersten Teil seines Vortrages den rund 100 gespannten Zuhörern (Schülern der 5ten Schulstufe am GYS) eindrucksvoll und anschaulich zu vermitteln. Der PH Hörsaal, in der die „Vorlesung" gehalten wurde, war bis auf den letzten Platz belegt.

Still in Gedanken an den Satz des Pythagoras verharrend oder unruhig geworden bei der Erkenntnis, wie viel Mathematik in einem Handy so alles steckt, erwartete die „Jungstudenten" dann im zweiten Teil des Vortrages ein Blick auf das, womit sich Mathematiker heute beschäftigen. Dabei ging es um ganz alltägliche Dinge. Warum bilden sich Staus auf Autobahnen? Und wenn man dann 'raus ist, ist nicht erkennbar, warum es überhaupt zu dem Stau gekommen ist. Was steckt hinter dem, wenn ein Lehrer mal „mit der Faust auf den Tisch haut"? Ist er verärgert oder geht es ihm nur um die Demonstration einer Schallwelle, die sich im Holz ausbreitet und an der Grenzfläche zur Luft in einen akustischen „Knall" wandelt? Was macht ein Doppelpendel, wenn es zu stark angeregt wird bzw. was hat der Schmetterling in China mit dem Chaos auf meinem Schreibtisch zu tun? .... Alles Bewegungsvorgänge, denen sich die Angewandte Mathematik gerne annimmt. Herr Prof. Junk war hier in seinem Element. Er führte uns zunächst zu den fundamentalen Bewegungsgrößen (Ort, Geschwindigkeit und Beschleunigung) für ein einzelnes Objekt (ein Auto). Zum Glück nur drei Formeln. Im zweiten Schritt aber weitete er das Ganze dann auf viele Objekte (Autos) aus, was zu einem Wust an ineinander zeitlich und räumlich verketteter Bewegungsgleichungen führte. Aber damit nicht genug. Wer sagt, dass eine Autobahn nur aus einer Fahrspur besteht? Und was ist mit dem individuellen Fahrprofil, das zwischen draufgängerisch (Porsche) und gemütlich (Ente) schwankt? Spätestens hier war allen Schülern klar, dass eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen eine sinnvolle Maßnahme ist, nicht nur zur Unfallvermeidung sondern auch für alle angehenden Mathematiker. Herr Prof. Junk erlöste dann die Zuhörer und zeigte, wie sich solche komplexen Bewegungsvorgänge dann in anschaulicher Weise am Computer darstellen lassen. Und zur Überraschung vieler zeigte die Computersimulation genau das, was alle bereits intuitiv richtig vermutet hatten einschließlich dem „Ziehharmonikaeffekt".

Nach so viel Mathematik wurden die Schüler in ihre vertraute Klassenatmosphäre entlassen. Die begleitenden Lehrer durften sich nochmals in ihre Studienzeit zurückversetzt fühlen. Ein eindrucksvoller und anstrengender Vorlesungs-Vormittag ging hiermit für alle zu Ende.

Ein Dankeschön an die Schüler für ihre Teilnahme und Geduld während des Vortrages. Einen Dank auch an die Administratoren des GYS, die die organisatorischen Belange klärten und dafür sorgten, dass die Veranstaltung damit zu einem gemeinsamen, studentischen, Erlebnis der 5ten Klassen wurde. Zuletzt aber einen ganz besonderen Dank an Herrn Prof. Junk für sein Kommen und seinen Vortrag und an das Team von prof@school für diese gelungene Initiative.

Winfried Brüser

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